poligons1

«Gründlichkeit ist wichtiger als Tempo» – so entstand der Spitex-Bericht


Der Kanton hat einen externen Untersuchungsbericht über die Spitex Obwalden erstellen lassen. Wir haben mit den Verfassern des Berichts gesprochen.


Die Firma Neumann Zanetti & Partner aus Meggen hat im Auftrag des Kantons einen Bericht über die Spitex Obwalden verfasst. Unsere Zeitung hat mit SRF ein Gesuch um Akteneinsicht in den Untersuchungsbericht gestellt. Ausgelöst wurde der Bericht durch massive Klagen von Mitarbeitenden an die Führung und einer hohen Personalfluktuation. Anfang Juli informierte der Kanton über die Untersuchung, ohne Details zu verraten. Der Bericht werde nun zuerst intern behandelt. Dieses Vorgehen sei normal, sagen Geschäftsführer Jörg Neumann (57) und Trainer und Berater Joel Früh (47) im Interview.

Interview: Philipp Unterschütz


Ich nehme an, Sie dürfen mir nicht sagen, was in Ihrem Bericht steht?
Jörg Neumann (JN): Nein, natürlich nicht.

Sie dürfen eigentlich nichts sagen, aber Sie sprechen trotzdem mit uns. Warum?
JN: Der Grund ist einfach. Bei solchen Konflikten gibt es viele unterschiedliche Sichtweisen. Wenn es gelingt, ganz grundsätzlich Verständnis für Situationen mit Konflikten unterschiedlicher Parteien zu fördern, dann sprechen wir gerne darüber.

Der Kanton hat bekannt gegeben, dass er Ihren Bericht intern behandelt, bevor er ihn veröffentlicht. Ist so etwas üblich?
Joel Früh (JF): Ja, es ist durchaus üblich, dass Auftraggeber unsere Berichte prüfen und mit den Beteiligten nach Lösungen suchen, bevor sie aufgrund unserer Feststellungen Massnahmen in die Wege leiten und auch kommunizieren. Es geht dabei auch um Persönlichkeitsrechte oder wie man mit strikt vertraulichen Informationen aus dem Bericht umgeht, zum Beispiel mit konkreten Fällen von Patienten. Alle befragten Personen und ihre Aussagen müssen anonym bleiben.

JN: In den meisten Fällen gilt, dass die Gründlichkeit wichtiger ist als das Tempo. Die genaue Prüfung unserer Berichte entspricht der üblichen Vorgehensweise.

Damit ist aber nicht sichergestellt, dass die Öffentlichkeit auch wirklich erfährt, was Sie festgestellt und empfohlen haben.
JF: Es ist nicht unsere Aufgabe, dem Auftraggeber zu sagen, was er mit dem Bericht machen soll, das liegt nicht in unserer Kompetenz. Wir setzen uns generell für funktionierende Organisationen und Beziehungen ein und sprechen dafür Empfehlungen aus, die diesem Ziel dienen. Insofern sehen wir es natürlich gerne, wenn sie auch umgesetzt werden.

JN: Darüber müssen wir uns aber in der Regel gar nicht sorgen. Die Auftraggeber engagieren uns ja genau deswegen, weil sie Empfehlungen für Konfliktlösungen wollen.

Wie sind Sie eigentlich zu diesem Auftrag gekommen?
JN: In einem Auswahlverfahren aus mehreren Firmen hat man sich für uns entschieden. Für uns sprach wohl auch, dass wir eine Distanz zu Obwalden und zu allen Beteiligten haben.

Wie gehen Sie bei solchen Aufträgen vor?
JF: Grundsätzlich ist es immer sehr zielführend, zuerst mit den Leuten zu reden. Wir wählen Personengruppen aus, die uns schlussendlich eine möglichst austarierte Gesamtsicht geben. Wenn wir eine grössere Menge dieser subjektiven Einzelwahrnehmungen haben, kann man sie objektivieren. Wir sind Zuhörer und dürfen beim Gespräch nicht auf die Befragten eingehen oder ihre Aussagen werten. Mit Erlaubnis der Gesprächspartner wird das Interview aufgezeichnet. Wichtig ist auch: Wir machen vor keiner Türe halt.

JN: Es ist niemals eine einzelne Person, die ein Urteil ausmacht. Wir brauchen einen nüchternen, analytischen Blick über alle Ebenen und müssen uns auch selber in unserem Team immer wieder austauschen.

JF: Ein weiterer Schritt ist eine quantitative Erhebung mit anonymen Online-Fragebogen. Dabei stellen wir sicher, dass ausschliesslich Eingeladene nur einmal teilnehmen können. Und schliesslich fordern wir Dokumente ein, wie Protokolle oder Briefe. Wenn wir das alles haben, folgen die Analyse und die Empfehlungen für die Auftraggeber.

Müssen Sie denn oft Berichte wie diejenigen über die Spitex Obwalden erstellen?
JN: Neun von zehn Aufträgen erhalten wir, damit erst gar keine Konflikte entstehen. Weil wir die entsprechenden Kompetenzen haben, werden wir aber auch beauftragt, Situationsanalysen oder Berichte zu machen, wenn Konflikte schon bestehen. Also, Probleme gibt es auch andernorts.

Ist das Gesundheitswesen unter den gegebenen Umständen wie Fachkräftemangel, finanzieller Druck oder hoher Belastung prädestiniert für Konflikte?
JF: Es gibt trotz den geltenden Rahmenbedingungen auch viele Gesundheitsorganisationen, die wunderbar funktionieren. Aber in den letzten Jahren hat der Druck schon zugenommen. Die Gestaltung der Beziehung zwischen Führung und Mitarbeitenden sowie weiteren Anspruchsgruppen hat aber eigentlich wenig mit finanziellen Aspekten oder Fachkräftemangel zu tun. Finanzielle Herausforderungen sollten nicht daran hindern, eine förderliche Mitarbeiterkultur zu pflegen. Ein Unternehmen, das es dank seiner Betriebskultur schafft, die Mitarbeitenden zu halten, hat auch viel weniger Probleme mit Fachkräftemangel.

Was kann denn eine Institution bei diesen Sachzwängen tun, um Konflikte zu verhindern? Haben Sie Tipps?
JN: Wenn der Job schon schwer ist und die Belastung gross, dann sollte man spürbar darin investieren, dass die Teamarbeit den Leuten Energie gibt. Man sollte prüfen, ob es im Betrieb eine Systematik für Konfliktlösungen gibt. Und: Wer in seinem Betrieb keine regelmässigen Mitarbeitenden-Befragungen macht und die Erkenntnisse daraus auch umsetzt, vergibt eine Riesenchance.


Artikel teilen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert